Die alte Macht der Bücher

Man hat schon ein Problem, Bücher wegzuwerfen. Sie haben etwas Würdevolles und denkt man nur an schnöde Entsorgung, dann hört man ihren Vorwurf, sich zu versündigen.

Dabei haben Bücher Vor- und Nachteile: Bücher sind Privatsphäre, man wird nicht getrackt, wie lange man an welcher Seite liest, wo man immer wieder nachschlägt oder wie oft man liest. E-Books tun das. Bei Büchern setzt sofort eine Entschleunigung ein, während E-Books zum permanenten Recherchieren verleiten und wieder Unruhe stiften.

Andererseits lässt es sich mit E-Books oder Websites ganz wunderbar arbeiten, Notizen erstellen, verlinken etc. Auf dem Tablet sind sie ausreichend gross und das gesamte Weltwissen findet auf einer DIN A5 Seite Platz. Ein Buch mit 800 Seiten lässt man schon lieber daheim. Es ist nicht nur schwer, auch der Bund wird so hoch, dass manche Seiten nicht mehr völlig umzublättern sind. Hinzu kommen Zettel und Notizen, vielleicht ein Block und ein Stift.

Ob Book oder Buch ist egal. Auf den Inhalt kommt es an und der kann gedruckt oder digital eben gut oder schlecht sein. Oder man liest einfach gerne, Gutes und Schlechtes.

Satzanschlüsse

Die relativen Satzanschlüsse beziehen sich auf das Subjekt. Dabei werden alle grammatischen Fälle berücksichtigt. "Das Buch, das du mir gegeben hast." Oder "Die Kinder der Eltern, deren Haus am Wald steht." Im ersten Beispiel steht der Satzanschluss im Nominativ Singular und im zweiten Beispiel im Genitiv Plural. Die Verwendung derer entspricht im Lateinischen genau der im Deutschen.

Im Folgenden lasse ich die Kommas ganz bewusst weg. Erstens kannten die Römer eigentlich gar keine Satzzeichen und zweitens sollen die relativen Satzanschlüsse für sich sprechen.

Amici qui nobis libros ad legendos dant liberi parentium sunt quorum domini Romae orationes habent ut a senatu audiantur. Illi libri quibus discebamus et quorum fabulae nos valde delectabant etiam antea multos pueros educabant qui nunc adulescentes sunt. Illae fabulae non semper pueris sed etiam puellis placebunt quarum parentes libri pro magistris habentur. Mihi sententia stat eos profecto magistros esse nam quotiens eos lego fabulas magni puto et cum illis fabulis aliquod colloquium habeo. Sic scientia per multos annos traditur per quos homines cito currunt in quibus autem scientia constat.

Eine klassische Aufgabenstellung könnte lauten, vorliegenden Text soweit wie möglich in den Singular umzuwandeln.

Masse und Geschwindigkeit

Gottfried Wilhelm Leibniz, geboren am 1. Juli 1646 in Leipzig und gestorben am 14. November 1716 in Hannover, war ein deutscher Philosoph, Mathematiker, Jurist, Historiker und politischer Berater der frühen Aufklärung. Er war universaler Geist seiner Zeit und einer der bedeutendsten Philosophen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts und Vordenker der Aufklärung.

G.W. Leibniz: "Schriften zur Logik und zur philosophischen Grundlegung von Mathematik und Naturwissenschaft"

Complures Mathematici cum videant in quinque machinis vulgaribus celeritatem et molem inter se compensari, generaliter vim motricem aestimant a quantitate motus, sive producto ex multiplicatione corporis in celeritatem suam. Vel ut magis geometrice loquar, vires duorum corporum eiusdem speciei in motum concitatorum ac sua mole pariter ac motu agentium esse dicunt in ratione composita corporum seu molium et earum quas habent velocitatum.

Einige Mathematiker haben beobachtet, dass bei fünf gewöhnlichen Maschinen Geschwindigkeit und Masse sich untereinander ausgleichen, gewöhnlich die Kraft der Bewegung aus der Bewegungsgröße beurteilt, d.h. dem Produkt aus Körpermasse und seiner Geschwindigkeit. Oder um es geometrischer zu sagen: Die Kräfte zweier gleichartiger Körper, die in Bewegung gesetzt werden und die sowohl durch ihre Masse als auch durch ihre Bewegung wirken, seien, heißt es, in einem wohlgeregelten Verhältnis der Körper oder Massen und deren Geschwindigkeiten.

Was sich so schön harmonisch anhört, mag einleuchten. Jedoch widerspricht Leibniz dieser fast statischen Harmonie in seinem Buch.

Wie Sprache funktioniert: Latein

Bei Latein geht es heute natürlich nicht mehr darum, sich im Alltag zu verständigen. Vielmehr geht es um die Funktionsweise der Sprache, aller Sprachen.
Die Grammatik ist die Logik der Sprache und grammatische Regeln sind in jeder Sprache. Hält man sich nicht daran, dann können fatale Verwechslungen entstehen.

Zum Beispiel sagt ein Angeklagter, er hätte bei seinen Besuchen... Und die Anwältin der Gegenseite fragt sofort zurück: "Sie waren also öfter da?"
Hier hat die Verteidigerin sofort den Plural herausgehört und beharrt auf Klärung. Ein kleiner Unterschied: Singular und Plural. Eigentlich die kleinste grammatische Zelle aber in diesem Moment enorm wichtig.

Übersetzen: Blockweise

( 1 ) …nobis magno consensu vitia commendant. Licet nihil aliud quod sit salutare temptemus proderit tamen per se ipsum secedere: meliores erimus singuli. Quid quod secedere ad optimos viros et aliquod exemplum eligere ad quod vitam derigamus licet? Quod sine otio non fit: tunc potest optineri quod semel placuit ubi nemo intervenit qui iudicium adhuc inbecillum populo adiutore detorqueat; tunc potest vita aequali et uno tenore procedere quam propositis diversissimis scindimus.

Gedankengang: Das Subjekt ist im ersten Satz kein Nomen, sondern im Verb untergebracht. Trotzdem haben wir jetzt Subjekt und Verb ausgemacht. "Sie empfehlen". Dritte Person Plural.
Weiter fragen wir nach den Objekten: "nobis", "uns" empfehlen sie. Ein Dativ als Zuwendung also. Wen oder was empfehlen sie uns? Das müsste dann ein Akkusativ sein. Ist es auch, im Neutrum Plural. "vitium, vitia" der Fehler, der Mangel, die Fehler. Nominativ und Akkusativ sind bei Neutra immer gleichlautend. Sie empfehlen uns Fehler. Zuletzt das Adverbial: "magno consensu"... Der Ablativ der u-Deklination endet im Singular auf "-u". Der Konsens ist die Übereinstimmung "consensus" und kommt vom Verb "consentire".

Sie empfehlen uns mit großer Übereinstimmung Fehler.

Das war die Übersetzung Schritt für Schritt. Mit etwas Übung werden die Komponenten immer größer, was die Übersetzung flüssiger und schneller macht. Dieser Fortschritt stellt sich bereits nach einer halben Stunde des Lesens ein. Übrigens war das Seneca, De otio.

Latifundien - Breite Grundstücke

Im 1. Jahrhundert vor Christus betrieb Rom eine expansive Außenpolitik, was Kriege an den Grenzen bedeutete. Soldaten wurden dringend gebraucht und es wurden auch massenhaft Bauern zum Militär rekrutiert. Das hatte zur Folge, dass deren Äcker und Betriebsflächen verödeten. Die Gunst der Stunde nutzten reiche Stadtbürger, die diese Grundstücke aufkauften. Da es sich um weitflächige Grundstücke handelte, wurden diese "Latifundi" genannt. Dem Wortsinn nach "latus" für breit und "fundus" für Grund.

Doch dieser Aufkauf war nicht nur negativ, denn unter Kaiser Augustus setzte eine lange Friedens- und Wohlstandsperiode ein. Zudem boten die Latifundien neue Arbeitsplätze, denn der Unterhalt der Anwesen war überaus personalintensiv. Das reichte von Gartenarbeiten über die Küche bis hin zu Lehrern für die Kinder. Auch für Unterhaltung sollte gesorgt sein.

Die Latifundien wurden allerdings nicht derart ackerbaulich genutzt, wie es die vorigen Eigentümer taten, sondern in Landgüter mit leichtem Obst- und Weinanbau umgewandelt. Das Getreide wurde durch besagte Außenpolitik bereits weitgehend importiert. In erster Linie allerdings waren die Anwesen Urlaubsorte. Manche reichen Römer unternahmen lange Inspektionsreisen, um im weit verstreuten Besitz nach dem Rechten zu sehen. Die verhältnismäßig stadtnah gelegene Villa erfüllte auch representative Zwecke und war luxuriös ausgestattet. Große Zimmer, überall kleine Wasserspiele und Brunnen, Gästezimmer usw. Und es war angenehm kühl.

Dreh- und Angelpunkt der meisten Zeit des Jahres blieb allerdings Rom, denn dort hatten auch begüterte Römer ihre Ämter in Verwaltung und Politik. Von irgendwo her musste auch damals das Geld kommen.

Kurz und knapp: Der Ablativ

Eine besondere Herausforderung beim Übersetzen ist der Ablativus absolutus. Er beinhaltet eine Sinnrichtung, die entweder lokativ, modal, temporal, konditional oder konzessiv sein kann.

Alexandro Magno moriente milites frequentes aderant.
Als Alexander der Große starb, waren zahlreiche Soldaten da.

Hier ist zu beachten, dass "moriente" als Partizip Präsens Aktiv (PPA) die Gleichzeitigkeit des Geschehens ausdrückt.

Alexandro Magno mortuo regnum divisum est.
Nachdem Alexander der Große gestorben ist, wurde das Reich geteilt.

Mit "mortuo" als Partizip Perfekt Passiv (PPP) wird die Vorzeitigkeit des Ereignisses angegeben.

Es kann der absolute Ablativ aber auch eine ganz andere Sinnrichtung haben.

Alexandro Magno moriente omnes milites turbantur.
Weil Alexander der Große stirbt, sind alle Soldaten in Unruhe versetzt.

Fabula a magistro narrante pueri clamorem tollunt.
Obwohl die Geschichte vom Lehrer erzählt wird, lärmen die Schüler.

Fabula a magistro narrante pueri non iam clamorem tollunt.
Weil die Geschichte vom Lehrer erzählt wird, lärmen die Schüler nicht mehr.

Hier entsteht die Sinnrichtung aus inhaltlichem Widerspruch oder Übereinstimmung.

Es ist nie zu spät

Dieter Höflich aus Bad Tölz hat sich den Sportsgeist gut bewahrt. Seine Intension war es, die eigene Gedächtnisleistung zu trainieren und sogar mit seiner elfjährigen Enkelin die Exen und Schulaufgaben mitzuschreiben. Seine schulischen Leistungen in Latein reichten dabei von 1,5 bis 2,5 und bilden einen guten Schnitt ab. Herr Höflich hatte zwar Latein und Französisch seinerzeit in der Schule, aber er musste viele Vokabeln fast neu lernen. Dennoch ist er froh, diese kleine Challenge in Angriff genommen zu haben.

Auf die Frage von Herrn Dr. Andreas Steppan, Stellvertretender Redaktionsleiter des Merkur Bad Tölz, ob sich ältere Leute schwerer tun, Sprachen zu lernen, antwortet er: "Nicht unbedingt! Ich habe mir vor Jahren gerne die Vorträge von Prof. Ernst Pöppel angehört, dem Hirnforscher, der in Bad Tölz das Altersforschungsinstitut GRP leitete. Er sagte, dass das Gehirn auch im höheren Alter noch viele Kapazitäten hat. Ihm zufolge altert das Hirn dann, wenn es nicht gebraucht wird. Wird es aber weiter beansprucht, dann bilden sich neue Gehirnzellen." Letztlich macht es Herrn Höflich Spaß, sprachliche Parallelen und Herleitungen zum Englischen oder Französischen zu finden.

Hierzu Seneca, etwa geboren im Jahre 1 n.Chr. und gestorben 65 n.Chr., aus "De otio", "Über die Muße": "Canitiem galea premimus, Mit dem Helm bedecken wir das graue Haar." Es ist eine Metapher, die darauf hinweist, dass wir, auch wenn wir älter werden, immer noch bereit sind, Herausforderungen anzunehmen und uns den Schwierigkeiten des Lebens zu stellen.

Quelle: Mediengruppe Münchner Merkur tz mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Alt und neu

Es gab mal eine Zeit, da galt der Buchdruck den Zeitgenossen als das gleiche Teufelswerk wie das Internet einigen Menschen heute noch. Damals wurden aber die Schreiber tatsächlich arbeitslos. Wirklich? Ihr Berufsbild hat sich verändert. Sie schrieben nicht mehr ganze Werke ab, was uns heute unmenschlich erscheint, sondern verfassten eigene Texte. Der Beruf des Autors ging aus den "Abschreibern" hervor.

Nicht viel anders verhält es sich heute mit der "künstlichen Intelligenz", auf die ich noch häufig und intensiv eingehen werde. Deren Funktionsweise ist noch ziemlich unbekannt und deshalb suspekt. Welche kognitiven Fähigkeiten diese wirklich hat oder entwickeln wird, ist bis dato nicht ganz klar.

Latein war nicht die erste Sprache der Menschheit: Altgriechisch, Hebräisch, Babylonisch etc. sind viel älter. Und für Leute der damaligen Zeit war das Aufkommen des Lateinischen vielleicht auch neumodisches Zeug. Zumindest aber ungewohnt.

Verwechsler

Häufig unterscheiden sich Wörter - und dann natürlich auch ihre Bedeutungen - nur durch einen Buchstaben. Oder sie sind gar identisch. In dieser Reihe die häufigsten Wörter, die leicht zu verwechseln sind.

audere - augere - audire
wagen - vermehren - hören

cadere - caedere - cedere
fallen - niederhauen - weichen

carere - cavere
entbehren - behüten

cogere - cogitare
zwingen - überlegen

comparare - comparare
vergleichen - verschaffen

deligere - diligere
auswählen - hochachten

dicere - discere
sagen - lernen

edere - edere - emere
essen - herausgeben - kaufen

figere - fingere - findere
anheften - gestalten - spalten

fugare - fugere
verjagen - fliehen

iacere - iacere
daliegen - werfen

latere - patere
verborgen sein - sich erstrecken

lucere - lugere - ludere
leuchten - betrauern - spielen

mandare - manere - monere
übergeben - bleiben - ermahnen

medicari - meditari
heilen - nachdenken

mentiri - metiri
lügen - messen

misereri - miserari
sich erbarmen - beklagen

morari - mori
verweilen - sterben

occidere - occidere
untergehen - niederhauen

parere - parere - parare
erwerben - gehorchen - vorbereiten

pendere - pendere - perdere
hängen - beurteilen - verderben

quaerere - queri - quare
suchen - beklagen - wodurch

stimulare - simulare
anspornen - vorspielen

venari - versari
jagen - sich aufhalten

ventilare - ventitare
schwingen - oft auftreten

vincere - vincire
siegen - fesseln

Wussten Sie schon?

Mehr als die Hälfte des englischen Wortschatzes ist lateinischer Abkunft. Nach Gallien wollte Julius Caesar auch Britannien unterwerfen, da es dort Gold, Zinn und vor allem Holz gab, das in der Antike allgemein massenhaft bis zum Mangel verbraucht wurde.

Caesar landete 55. v. Chr. mit zwei Legionen in Britannien und besiegte die einheimischen Stämme in einer Schlacht. Im Jahre 54 v. Chr. kehrte mit einer größeren Armee nach Britannien zurück, stieß aber auf starken Widerstand der Britannier und musste sich nach einem kurzen Feldzug wieder zurückziehen. Die Britannier konnten sich stark geschwächt gegen die spätere römische Invasion unter Claudius im Jahr 43 n. Chr. nicht mehr verteidigen.

Dennoch wussten sie die Neuerungen und Fortschritte, die von Rom auf die Insel kamen sehr wohl zu schätzen: Straßen, Städte, Thermalbäder und eine besonders knappe und praktische Sprache. Latein.

Weniger Glück hatten die Römer in der Gegend Schottlands, wo die piktischen Stämme erbitterten Widerstand leisteten. Als finale Grenze zum "wilden Norden" entstand im 2. Jahrhundert n. Chr. der "Hadrianswall".

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